PROJEKTEHegels Vorlesungen/Carovés Nachschriften

Hegels Heidelberger Vorlesungen: Nachschriften Friedrich Wilhelm Carovés gefunden

Der Jahrhundert-Fund zahlreicher bisher nicht ausgewerteter und als verschollen gegoltener Nachschriften der Vorlesungen Hegels in der Diözesanbibliothek des Erzbistums München und Freising besitzt außerordentliche Bedeutung für die Philosophie. Große Teile von Hegels philosophischem System können nur im Rückgriff auf Vorlesungsmitschriften seiner Schüler rekonstruiert und nachvollzogen werden. Die jetzt entdeckten Mitschriften zeigen die Herausbildung von Hegels Einsichten während der zentralen Heidelberger Jahre, in denen er erstmals umfassend seine Enzyklopädie aber auch Geschichtsphilosophie in Vorlesungen entfaltete.

Erste Seite der Vorlesungsnachschrift "Philosophie des Geistes" © O.-F. Universität Bamberg

Die vom Hegel-Biograf Klaus Vieweg entdeckten Nachschriften stammen aus der Feder Friedrich Wilhelm Carovés, Hegels erstem Assistenten seiner Zeit in Heidelberg (1816-1818) und später in Berlin. Der katholische Publizist und Politiker war ein führender Intellektueller seiner Zeit. Die rund 5000 Seiten umfassen fast alle Teile von Hegels Enzyklopädie, darunter eine lange gesuchte Nachschrift der ersten Ästhetik-Vorlesung. Damit liegen endlich seine ersten Vorlesungen zu seiner Enzyklopädie vor. Die Mitschriften aus dem Nachlass des Theologen Friedrich Windischmann (1811-1861) aus München kamen von dessen Vater, dem Bonner Philosophieprofessor und Mediziner Karl Windischmann (1775-1839), der die Mitschriften Carovés durch Vermittlung Hegels erhielt, wie wir aus Briefen wissen.

Im Rahmen eines mehrjährigen wissenschaftlichen Projekts unter Leitung der beiden Professoren Klaus Vieweg (Universität Jena) und Christian Illies (Universität Bamberg) sowie der Unterstützung von Professor Marko Fuchs (Universität Bamberg) und weiteren internationalen Experten werden die Nachschriften Carovés ediert; begleitende Studien sind ebenfalls geplant. Die Brougier-Seisser-Cleve-Werhahn-Stiftung unterstützt die Transkription der Nachschriften in einer Rohfassung mit einer Stelle an der Universität Bamberg.

Professor Johannes Merz, Direktor von Archiv und Bibliothek des Erzbistums München und Freising, hat dem Forscherteam seine Unterstützung zugesagt. Für ihn unterstreicht die Neuentdeckung „die erstaunliche Vielfalt des in der Diözesanbibliothek verwahrten Kulturguts und ihre Bedeutung als eine der großen kirchlich-wissenschaftlichen Bibliotheken in Deutschland“.

Von dem Fund zeigen sich Vieweg und Illies begeistert: „Eine solche höchst überraschende und glückliche Entdeckung gelingt wohl nur einmal im Leben und ist vergleichbar mit dem Fund einer neuen Mozart Partitur“, so Vieweg. Illies ergänzend: „ein unglaublicher Schatz“. Der Meiner-Verlag will die Mitschriften unmittelbar als Bände in Hegels Gesammelten Werke aufnehmen.

Herausgeber/ Koordinator:

Klaus Vieweg, Professor für Philosophie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Zahlreiche Publikationen und Aufsätze zu Hegel, darunter die Biografie „Hegel: Der Philosoph der Freiheit“ (2019). Seine Spezialgebiete sind der Deutsche Idealismus, speziell Hegel und die Theorie und Geschichte des Skeptizismus.

Christian Illies, Professor für Philosophie an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Seine Spezialgebiete sind Ethik, Philosophie der Biologie, Naturphilosophie und Philosophische Anthropologie, sowie Philosophie der Architektur. Historische Spezialgebiete sind der Deutsche Idealismus (Kant und Hegel), ebenso wie die Philosophie des 19. und 20. Jahrhunderts.

Marko Fuchs, ebenfalls Professor für Philosophie an der Otto-Friedrich Universität Bamberg, ist Experte für philosophische Ideengeschichte mit einem Schwerpunkt beim deutschen Idealismus. Er koordiniert das Netzwerk internationaler Wissenschaftler, das die Edition der Carové-Mitschriften übernimmt.